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Historische Aufklärung

Hunger in Deutschland

Es war keine "Befreiung" - vor 66 Jahren halbierten die Briten die Lebensmittelrationen in ihrer Besatzungszone

Vieles machte der deutschen Zivielbev�lkerung w�hrend des zweiten Weltkrieges das Leben schwer: Bombenangriffe, die Ungewissheit �ber das Schicksal der Angeh�rigen, das rigide Durchgreifen der Nationalsozialisten selbst bei geringen Vergehen an der "Heimatfront", zum beispiel beim heimlichen Abh�ren feindlicher Rundfunksender. An einem aber litten die Deutschen nicht: an Hunger. Denn wenn auch die St�dte unter dem Bombenterror in Schutt und Asche fielen - Die Versorgung der Heimat mit dem N�tigsten war bis zum Ende des Dritten Reiches bestens organisiert. Diese Lehre hatte die deutsche Regierung aus dem Ersten Weltkrieg gezogen. Der ber�chtigte "Steckr�benwinter" 1917/18 und erst recht die verheerende Hungerblockade, die die Engl�nder nach dem Waffenstillstand �ber Deutschland verh�ngt hatten, sa� der Kriegsgeneration noch in den Knochen. Vergleichbares sollte sich nicht wiederholen. Tat es auch nicht. Lebensmittelkarten regelten bis zur Kapitulation den Bezug aller wichtigen Grundnahrungsmittel, und die Versorgungsengp�sse hielten sich trotz der Kriegseinwirkungen in Grenzen. Das Elend setzte paradoxerweise erst mit dem Schweigen der Waffen ein. Denn erst mit den Siegern kam das Chaos. Die Alliierten, die nach eigenem Bekunden nicht als "Befreier" gekommen waren, sondern als Besatzer - die ber�chtigte US-Direktive JCS 1067 vom 26.April 1945 machte daraus keinen Hehl -, hatten genug mit sich selbst zu tun. Hunderttausende Entwurzelter, viele von ihnen ehemalige KZ-H�ftlinge, irrten im Reich umher, dazu kamen Millionen Fl�chtlinge aus dem Osten. Die Vorratslager waren bald gepl�ndert. Schwarzhandel und Hunger griffen um sich.
Die Ern�hrungssituation verschlechterte sich kontinuierlich.
Hinzu kommt, dass sich die landwirtschaftliche Nutzfl�che Deutschlands infolge der Beschl�sse von Jalta schlagartig um ein Viertel reduziert hat - die deutschen Ostprovinzen stehen pl�tzlich unter polnischer und russischer Verwaltung und kommen deshalb nicht mehr f�r die Nahrungsmittelproduktion zum Tragen. In Zahlen: 1938 hatte die landwirtschaftliche Nutzfl�che im Reich 28,537 Millionen Hektar betragen, die Bev�lkerungszahl rund 69 Millionen Menschen. Nach Kriegsende liegt die Nutzfl�che wegen der abgetrennten Ostgebiete nur noch bei 20,605 Millionen Hektar - doch dr�ngen sich auf verbliebenen Fl�che mehr als 64 Millionen Menschen. Und durch die Fl�chtlingsst�me aus dem Osten werden es jeden Tag mehr. Die Folge ist, dass sich die Ern�hungssituation das ganze Jahr 1945 hindurch kontinuierlich verschlechtert. 2.600 Kalorien braucht ein Erwachsener als t�glchen Grundbedarf, 1.800 zum �berleben. Selbst in der vergleichsweise gut vbersorgten amerikanischen Besatzungszone sind daraus imJanuar 1946 kl�gliche 1.500 Kalorien geworden. In der britischen und franz�sischen Zone sieht es noch schlimmer aus. Nur noch 60 Prozent des Lebensmittelbedarfs der Bev�lkerung k�nnen durch die am Boden liegende heimische Landwirtschaft gedeckt werden. Von den Siegern ist keine Hilfe zu erwarten. Sie verfolgen in ihren Besatzungszonen eine strikte Politik der "Non-fraternization", Kontakte zwischen Besatzern und Besiegten sind verboten. Gleichzeitig durchk�mmen Sonderkommandos der Sieger mit langen Fahndungslisten alle Besatzungszonen. Gesucht werden nicht nur NS-Funktion�re und vermeintliche "Kriegsverbrecher", sondern auch Wissenschaftler, Geheimnistr�ger, Lehrer, Eisenbahnbeamte - kurz: jeder, der entwededer "Nazi" oder f�r die Sieger in irgendeiner Weise brauchbar ist. Es ist die Zeit, in der Zehntausend Deutscher im ganzen Reich erst einmal hinter Stacheldraht verschwinden und dem "automatic arrest" zum Opfer fallen. Die Familienangeh�rigen erfahren in der Regel nichts von ihnen. Besonders rigide gehen die Briten in ihrer Zone mit den Besiegten um. Dabei ist die britische Besatzungszone ohnehin am meisten vom Krieg und seine Folgen in Mitleidenschaft gezogene Region des Reiches - die Bombenangriffe haben hier am meisten gew�tet, und das Gros der Fl�chtlinge aus dem Osten verschl�gt es ebenfalls in den Nordwesten. Das stellt die Besatzungsmacht vor unerwartete Herrausforderungen. Sie reagiert mit der Einrichtung einer v�llig �berdimensionierten und dennoch �berforderten Besatzungsverwaltung: W�hrend in der amerikanischen Zone etwas �ber 5.000 Personen besch�ftigt sind, bringt es der britische Besatzungsapparat auf fast f�nfmal so viele Angestellte - �ber 24.700. Zum Vergleich: Die englische Vorkriegsverwaltung in der Kronkolonie Indien z�hlte gerade einmal 1.500 Beamte. Die Briten erweisen sich als besonders �ble Besatzer. Im vormaligen Kurareal von Bad Nenndorf wir im August 1945 ein Verh�rzentrum eingerichtet, in dem Inhaftierte - vor allem Offiziere und vormalige NS-Funktion�re - Tag und Nacht unbeschreiblichen Torturen ausgesetzt sind. Erst 1947 wird das Folterlager von Bad Nenndorf geschlossen. An der immer dramatischeren Versorgungslage der Bev�lkerung �ndert sich durch derlei Willk�rma�nahmen nichts. Auch die Besatzer m�ssen jetzt zur Kenntnis nehmen, dass einfach nicht gen�gend Nahrungsmittel vorhanden sind, um die auf engsten Raum zusammengedr�ngten 65,5 Millionen Bewohner der drei West-Zonen ausreichend zu ern�hren. Sie reagieren mit einer drastischen Ma�nahme und halbieren im Februar 1946 die ohnehin schon �u�erst knapp bemessenen Lebensmittelrationen in der britischen Zone nochmals. Dadurch f�llt die Kalorienzuteilung bis Juni pro Kopf auf 1.050 - nochmals um ein Drittel weniger als zu Jahresbeginn. Bei den �lteren dr�ngen sich schlimme Erinnerungen an die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg auf, als die englische Hungerblockade �ber eine Million Deutsche das Leben kostete. Andere erinnern sich daran, dass gerade die Briten �ber lange Erfahrung im Aushungern der gegnerischen Zivielbev�lkerung verf�gen - Tausende Zivilisten kamen w�hrend des zweiten Burenkriegs um die Jahrhundertwende in den englischen Lagern in S�dafrika ums Leben. Diese gelten als die ersten Konzentrationslager der Geschichte. Ist den Deutschen jetzt ein �hnliches Schicksal zugedacht?
Allein auf den Rheinwiesen verhungerten Hunderttausende.

Tatsache ist, dass der Hunger in den folgenden Monaten grausige Ernte h�lt. Die Beh�rden registrierten steigende Zahlen von Verzweiflungsselbstmorden. Die Hamburger �rztekammer teilt mit, dass 60.000 Personen wegen Hunger�demen Zusatzkost erhalten. Die Schlangen vor den B�ckerein werden l�nger, im Ruhrgebiet kommt es zu ersten Arbeitsniederlegungen. Zumindest bei den Amerikanern w�chst die Einsicht, dass es so nicht weitergehen kann. Der fr�here US-Pr�sident Hoover stattet dem hungernden Deutschland einen Besuch ab und berichtet nicht weniger als dreimal �ber die katastrophale Versorgungssituation. Er r�t der Regierung Truman, auf Reparationsleistungen bis auf weiteres zu verzichten, und fordert 951 Millionen Dollar zur Finanzierung amerikanischer Lebensmittelimporte. In der englischen Besatzungszone ist man von so viel Realit�tssinn noch weit entfernt. Der eigens eingesetzte "Deutschlandminister" John B. Hynd muss zwar registrieren, dass die wenigstens notd�rftige Versorgung der hungernden Deutschen Unmengen von Geld kostet und zur Folge hat, dass auch auf der britischen Insel die Lebensmittel rationiert werden m�ssen. Nach au�en hin stellt er sich aber stur und behauptet: "Eine Hungersnot im �blichen Sinne besteht nicht." Es ist eine makabere Fu�note der Geschichte, dass es ausgerechnet der Hunger in der britischen Besatzungszone ist, der Amerikaner und Briten im Notjahr 1946 allm�hlich zueinander bringt. In der US-Zone im S�den ist die Verpflegung zwar nicht �ppig, aber zumindest einigerma�en gesichert. Dabei hat auch die US-Besatzungsmacht zahllose deutsche Leichen im Keller. Es war der kanadische Historiker James Bacque, der in seinem Bestseller Verschwiegende Schuld nachwei�en konnte, dass die US-Besatzer allein auf den Rheinwiesen Hunderttausende deutscher Kriegsgefangener eiskalt verhungern lie�en. Insgesamt kommt Bacque auf die grauenhafte Zahl von rund f�nf Millionen Deutschen, die nach der Kapitulation unter westalliierter Besatzungsherrschaft verhungerten. Der 28. Februar 1946, als in der britischen Zone die Nahrungsrationen durch einen Federstrich halbiert wurden, markiert in der Geschichte dieses neuzeitlichen Menschheitsverbrechens ein Stichdatum. Zwar ein v�llig willk�rliches,weil der Hunger schon seit Kriegsende unter den Deutschen w�tete und ein zweiter, noch schlimmerer Hungerwinter erst noch bevorstand. Ein trauriges Erinnerungsdatum ist der Februar vor 66 Jahren gleichwohl - traurig auch deshalb, weil er in der offiziellen Gedenkkultur der Bundesrepublik Deutschland nicht vorkommt.
Bericht: Xaver Mader